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Othello - Requiem für einen Kater

Er war schön. Gerade mal zwei Monate alt. Ein Siamese: Beiges Fell mit brauner Zeichnung  am Kopf, die die Schönheit seiner blauen Augen unterstrich. Ganz allein saß er in seinem Käfig bei der Tierärztin, die ihn einschläfern sollte. Das kranke Herz war das Problem. Sobald ich mich einen Schritt fortbewegte, weinte er bitterlich. So, wie nur Siamesen weinen können. Was nun? Die Tierärztin bestechen, damit sie ihn für eine horrende Summe freigab?  Das klappte. Mein Studium gerade beendet, kein Job, aber einen Freund, für den ich auch das Zehnfache bezahlt hätte, um ihn zu retten. 


Wie oft versteckte er sich in meiner Tasche, wenn ich zur Arbeit musste oder pinkelte mir hinterher, wenn ich die Wohnung verließ.  Nur noch ein paar Minuten Zeit schinden, das war sein Ziel. Er bekam alles, was sein Herz begehrte. Einen Garten am Haus mit ausbruchsicherem Zaun und ein Schneewittchen-Zimmer, das man vom Garten aus erreichen konnte. Doch das reichte ihm nicht. Er wollte mehr. Mich. Tag und Nacht. 


15 glückliche Jahre verbrachten wir gemeinsam. Dann hörte sein Herz auf zu schlagen. Ein großer Verlust. Trost kam von den Roma, für die ich viel politische und kulturelle Arbeit geleistet hatte. Ein Primas rief mich an und sagte mir, dass 12 Orchester für Othello in Budapest musizieren wollten. Ich solle mich in den Zug setzen, Saal und Hotelzimmer seien bereits bestellt. Also fuhr ich nach Budapest. 12 Roma-Bands waren angetreten. Allesamt studierte Musiker. Einige von ihnen hatten sogar den ersten Preis mit dem 100 Mann Orchester gewonnen. Reich waren sie nicht. Dennoch spielten sie für Othello umsonst, um ihm den Weg über die Regenbogenbrücke zu erleichtern. Ein herrlicher Tag, wenn auch unter Tränen, als der Primas zu dem uralten Lied „Trauriger Sonntag“ seine Geige anstimmte.

Othello: Willkommen
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